„Ich mache Filme nach Gefühl“

09.03.2022

Margarethe von Trotta ist 80. Die legendäre deutsche Regisseurin im Gespräch.

Von Matthias Greuling

© Karl-Josef Hildenbrand/dpa (Photo by Karl-Josef Hildenbrand/picture alliance via Getty Images)

Margarethe von Trotta ist 80. Die Ikone des deutschen Films wurde als Schauspielerin bei Fassbinder bekannt und war lange mit Regisseur Volker Schlöndorff verheiratet. Sie gehört, dank ihrer filmischen Arbeiten wie „Die bleierne Zeit“, „Rosa Luxemburg“, „Das Versprechen“ oder „Hannah Arendt“, zu den eindringlichsten Stimmen des deutschen Films.

Sie waren Schauspielerin und wurden dann Regisseurin. Viele Schauspielerinnen klagen, dass man sie in Schubladen steckt, wenn sie versuchen, ihre anderen Talente auch auszuleben.

Ich kenne das aus meiner Zeit als Schauspielerin sehr gut. Als ich mein erstes Drehbuch schrieb, damals beim Hessischen Rundfunk, der uns immer unterstützte, und zu unserem Redakteur ging, um ihm zu verkünden, dass ich das gerne selbst inszenieren würde, meinte er: „Aber Frau Schlöndorff – ich war damals noch mit Volker verheiratet – wieso wollen sie das denn? Sie haben doch immer so schön gespielt. Sie schreiben, und ihr Mann macht die Regie. So war das doch immer gut.“

Schlöndorff konnte Ihnen gar nicht „helfen“?

Doch, beim WDR. Dort hatten die gesehen, dass ich bei „Katharina Blum“ mitinszeniert hatte, und gaben mir dann die Chance. Dass Volker intervenieren musste, erfuhr ich leider erst hinterher, sonst hätte ich ihm das verboten. Er musste den Leuten beim Sender versichern: „Wenn sie es nicht schafft, dann mache ich euch den Film.“

Viele Ihrer Filme irritieren ganz bewusst. Sie führen uns aufs Eis, und wir müssen zusehen, wie wir wieder ans Ufer kommen. Das Konzept ihrer künstlerischen Arbeit?

Ich denke schon, muss ja so sein. Man kann einen Maler nicht fragen, warum er gerade das malt, was er malt. Der Vorgang künstlerischer Veräußerung ist nicht immer ganz klar. Vieles in meiner Arbeit ist bestimmt von einem Gefühl. Es gibt so viel Literatur, die erklärt, wie man Drehbücher schreibt, da habe ich noch nie hineingeschaut, weil ich einfach nicht glaube, dass man so etwas lernen kann. Das muss aus einem selbst entstehen.

Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass jeder Film, den Sie machen, ihr erster ist.

Absolut! Und ich bin auch jedes Mal davon überzeugt, dass ich es nicht schaffe. Eigentlich sehe ich erst im fertigen Film, ob etwas gelungen ist.

Aber lernt man über die Zeit nicht gewisse Kniffe, wie man Klippen umschifft?

Ne, so etwas habe ich nicht, aber ich weiß immerhin, dass ich gewisse Dinge nicht ins Drehbuch hineinschreiben darf, weil ich sie sowieso nicht finanziert bekomme. Die Naivität junger Drehbuchschreiber, die ihre Figuren durch eine Stadt der 1920er Jahre gehen lassen – so etwas schreibe ich schon lange nicht mehr. Weil ich weiß, da muss ich mir nachher sowieso was anderes ausdenken, weil das keiner zahlt. Ich habe auch bereut, gewisse Sätze in Drehbücher geschrieben zu haben. In „Die bleierne Zeit“ steigen die doch auf den Ätna. Im Drehbuch steht: Sie besteigen den Ätna. Nur ein kleiner Satz. Und dann musste sich die ganze Crew da den Berg hinaufquälen. Damals habe ich noch geraucht, und ich habe in dieser schwefelhaltigen Luft gedacht, ich muss jetzt ersticken! Ich war derartig am Ende, mein Oberbeleuchter musste mich von hinten hochschieben. Nur wegen dieses einen Drehbuchsatzes. Seither spielen meine Filme nicht mehr auf Bergen.

Sie sprachen vom langen Weg der Finanzierung. Hat jemand mit Ihrem Status tatsächlich Schwierigkeiten, neue Projekte zu finanzieren?

Ich muss für jeden Film kämpfen! Zu Beginn meiner Karriere war es einfacher, aber man muss sagen: Damals waren die Filme auch billiger, die ich drehte. Heute ist alles teurer. Bei „Hildegard von Bingen“ produzierte die Degeto (eine am Unterhaltungswert orientierte Filmorganisation der ARD, Anm.) mit, aber nur unter der Auflage, dass entweder Heino Ferch oder Moritz Bleibtreu die männliche Hauptrolle spielt. Die haben ein quotenorientiertes Denken. So läuft das heute.

Fühlten Sie sich als Regisseurin jemals alleine in diesem noch immer von Männern dominierten Beruf?

Bezüglich meines Bewusstseins für Filmgeschichten nicht, da war ich durchaus mit Leuten wie Fassbinder oder Schlöndorff unterwegs, und meine Einflüsse stammen aus der Zeit der französischen Nouvelle Vague. Als Frau jedoch bin ich immer wieder angegriffen worden. Meine Produzentin, eine energische Frau um die 50, sagt, sie hätte heute viel mehr Schwierigkeiten, Filme zu finanzieren, die von Frauen gemacht werden. Das ist eine Tatsache. Und es ist durchaus möglich, dass es deshalb so lange dauert, bis ich meine Projekte realisieren und finanzieren kann.

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