Synchronisierte Filme: Zwischen Geniestreich und Zensur

21.01.2019
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Niemand kann es besser als die Deutschen und Österreicher: Filme in die eigene Sprache übertragen. Neben der Bewunderung für die Kunstfertigkeit beim sogenannten „Dubbing“ gibt es jedoch auch viel Kritik. So gilt Casablanca (1942) heute als Musterbeispiel der Manipulation – in der deutschen Fassung wurden alle Bezüge zum NS-Regime rausgeschnitten. Und der berühmte Spruch „Ich sehe dir in die Augen, Kleines“, kommt in der ersten Synchronfassung gar nicht vor. Wir gehen mit euch zurück zu den Anfängen der Synchronisation und vergleichen danach die Pro- und Contra-Positionen. Wenn ihr dazu auch eine Meinung habt, dann schreibt uns die doch in den Kommentaren!

Kindertage der Synchronisation

Im Jahr 1930 war der Tonfilm noch jung. Damals musste die Filmindustrie entscheiden: sollen Filme synchronisiert, mit Untertiteln gezeigt, oder soll stattdessen eine „Variante“ gedreht werden – ein komplett neuer Film mit deutscher Besetzung. In den Kindertagen des Films war man von der Synchronisation nämlich nicht begeistert. Das Deutsch klang hohl, denn man versuchte exakt den Lippenbewegungen nachzusprechen. Erst mit der Zeit nahm man die Vertonung nicht mehr ganz so genau und die deutschen Texte wurden freier. Trotzdem war die Synchronisierung noch nicht komplett etabliert, auch wenn die Alternativen – Untertitel und Variante – anstrengend bzw. oft zu teuer waren.

Wendepunkt nach dem 2. Weltkrieg

Erst mit dem Ende des zweiten Weltkrieges kam der Umschwung. Das Kino sollte den Deutschen die westlichen Werte vermitteln. Doch für die Deutschen fühlten sich die Filme der Alliierten im Originalton fremd an. Bis vor kurzem war das Englische schließlich die Sprache der Feinde gewesen. Die westlichen Besatzungsmächte entschieden sich, ihre Filme für die Übersetzung freizugeben. Die Illusion der Vertrautheit, die durch deutsche Stimmen entstand, trieb die Leute in die Kinos und die Kinogänger freundeten sich mit der amerikanischen Unterhaltungsindustrie an. Die Interessen der Deutschen und die der Alliierten waren es also zusammen, die den Weg zur Synchro-Weltmeisterschaft ebneten. Doch ganz wie geplant lief es für die Alliierten nicht.

Die Casablanca-Lüge

Der Zugang zu amerikanischem Filmmaterial wurde begrüßt – unliebsamer Inhalt jedoch herausgeschnitten. Das bekannteste Beispiel ist Casablanca. 1942 gedreht, war der Streifen eigentlich ein Propaganda-Film gegen die Nazis. Als der Film 1952 in die deutschen Kinos kam, war von Nazis jedoch keine Spur. Was war geschehen? Geschickt wurden alle Uniformierten aus dem Streifen geschnitten. Casablanca war damals über 20 Minuten kürzer. Von Nazis nichts zu sehen oder zu hören. Den berühmten Ausspruch „Ich sehe dir in die Augen, Kleines“ kannte 1952 auch kein einziger deutscher Kinogänger. Der wurde nämlich erst in der Synchronisation von 1975 eingefügt. Davor sagt Humphrey Bogart einfach „eines Tages wirst du verstehen.“

Ganz ähnlich verfuhr man damals auch mit Alfred Hitchcocks Notorious (1946). Die Nazis wurden einfach zu Rauschgiftschmugglern, der Name des Filmes passend geändert zu Weißes Gift (1951). Natürlich kommen solche Fälle heute nahezu gar nicht mehr vor. Die Standards sind erheblich gestiegen. So sehr, dass manchen Synchronfassungen selbst das Original übertreffen.

Besser als das Original?

Ein geniales Beispiel, in dem die deutsche Synchronisation das Original übertrifft, ist zum Beispiel Zoomania. In dem Disney-Film brauen zwei Schafe mit den Namen Walter und Jesse ein Gift zusammen. Es ist kein Zufall, dass „Walter“ und „Jesse“ auch die Namen der beiden Drogendealer aus der Serie Breaking Bad sind. Und das Besondere: Im deutschen Zoomania werden die beiden von den gleichen Synchronsprechern gesprochen wie in Breaking Bad – ein genialer Einfall der Synchro-Regie. Im Original ist das nicht der Fall. Hier gibt es jedoch ein Wortspiel. Der Name Walter, klingt nach Woolter – und Wool bedeutet Wolle, wovon Schafe recht viel haben. Es ist also schwer zu sagen, welche Version „besser“ ist.

Durch ihre lange Geschichte ist die deutsche Synchronisationskunst außerdem mittlerweile ein Kulturschatz. Wer liebt sie nicht, die Stimme von Robert De Niro, seit 40 Jahren von Christian Brückner gesprochen:

Oder bei den Jüngeren die geniale Spongebob Vertonung von Santiago Ziesmer:

Diese beiden und noch viele anderen – die ihr in diesem Artikel findet – sind Aushängeschild der deutschen Synchronisation. Welche Argumente bringen nun aber die Gegner der Synchronisation vor?

Wenn Synchronfassungen verfälschen

Jeder Film ist eine Komposition: Einheiten wie Sprache, Mimik, Gestik oder Musik auseinanderzureißen, zerstört den kulturellen Wert. Als Tourist in Paris erwartet man sich schließlich auch, dass um einen herum Französisch gesprochen wird, wieso dann nicht im Paris eines französischen Films? Ein fabelhaftes Beispiel ist Inglourious Basterds. In dem Tarantino-Klassiker sprechen die Konfliktparteien – authentisch wie es eben auch im 2. Weltkrieg war – vier Sprachen. Englisch, Deutsch, Französisch und Italienisch und wenn man ehrlich ist noch eine fünfte „Österreichisch“. Und es ist gerade Sprache, die mitten im Weltkrieg ideologisch aufgeladen ist.

Eine ganze Szene musste dann jedoch für den deutschen Sprachraum geändert werden. Der Dolmetscher in dieser Szene würde sonst plötzlich von Deutsch zu Deutsch übersetzen – dabei ist der schnelle Kameraschwenk genau auf die Übersetzung geschnitten:

Die authentische Dolmetscher-Szene ist für den deutschen Sprachraum somit verloren. Der intellektuelle Nazi Hans Landa (gespielt von Christopher Waltz) durchschaut die Tarnung seiner Feinde sofort, als er plötzlich perfekt Italienisch spricht. Schaut euch diese geniale Szene an:

Die goldene Mitte

Und wie soll man denn nun seine Filme schauen? Die Wahrheit liegt wie immer in der Mitte. Wer abschalten will und nicht perfekt die Original-Sprachen spricht, der kann sich glücklich deutsche Synchronisationen anschauen – er wird nicht enttäuscht sein. Einen Lieblingsfilm jedoch solltet ihr euch auch im Original anschauen. Dabei versteht ihr die Intention und die Zusammenhänge von Sprache und Plot viel eher. Auch passen die Sprachen zum kulturellen Umfeld und der Gestik. Für die Filmprofis und Cineasten unter euch gilt: Schaut euch doch mal beides an, erst so seht ihr die Glanzleistung der deutschen Übersetzer, der ausländischen Schauspieler und die Feinheiten im Originalplot.

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